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Beitrag vom 09.09.2014
Lea Feynberg. Es war quasi ein Blind Date. Wir wurden so etwas wie verkuppelt.
Lea Feynberg
Zwei Frauen. Beide jung. Beide arbeiten mit Jugendlichen, die nicht immer einfach sind. Beide in sozialen Brennpunkten. Die eine Muslima, die andere Jüdin. Yasmin hat Arabisch in der Uni ...
... gelernt, ich habe das Hebraicum erworben. Könnte spannend werden. Ob wir uns nicht austauschen wollten? Wir wollten.
Ich hatte noch nie ein makelloses Blind Date. Die Skepsis wuchs.
Die erste Mail war nett. Yasmins Lächeln spürte ich bereits durch die geschriebenen Worte. Doch dann der Vorschlag mit dem Skypen, wäre ja schließlich persönlicher.
Wie, so richtig? Mit Kamera? Gleich dermaßen persönlich? Ich weiß nicht ...
Mein Skype klingelte. 3,2,1. Grüner Hörer. Klick. "Hallo?"
Auf meinem Bildschirm sah ich braune Locken, ein breites Grinsen und freudeerfüllte Augen. Wer auch immer sich hinter der Sozialpädagogin aus Kreuzberg versteckte, ich wollte ihre Geschichte hören. Ihren Erfahrungen lauschen und von meinen erzählen. Schöne Idee, dieses Verkupplungsding.
Wir sprachen also. Und sprachen. Und sprachen. Über eine Stunde. Über die Schüler, die Migration, den Antisemitismus. Aber auch über unsere Lebensgeschichten. Über unsere Herkunft, über unsere Familien, über Männer. Wir lachten miteinander, wir wunderten uns und schlugen gemeinsam die Hände über den Kopf.
Kenne ich Yasmin wirklich erst seit einer Stunde?
Wir sind verschieden. Und doch so gleich. So gleich, dass mich die vielen Gemeinsamkeiten kurz erschreckten. Aber nur kurz. Das Sternzeichen oder die Heiratspläne. Es gibt so viele Ähnlichkeiten.
Ich könnte mich noch ein paar weitere Stunden mit Yasmin unterhalten.
Wie viele außergewöhnliche und interessante Menschen es da draußen gibt, denke ich, denen man nur durch Zufall begegnet. Wie schön, dass ich Yasmin begegnet bin.
Wir wurden uns schnell einig: Wir lieben es, in der Schule zu arbeiten, Dinge zu bewegen und die Jugendlichen zum Nachdenken zu animieren. Es ist nicht immer leicht, das, was wir da machen. Es ist nicht immer Spaß, den wir erleben. Doch sind es immer Steine, die wir verändern, die wir zum Leben erwecken. Einige von vielen Steinen. Auch da sind wir uns einig: Es müsste viel mehr Austausch geben, Grenzen müssen überwunden, Menschen zusammengebracht werden.
Yasmin gehört dem Islam an. Ich dem Judentum. Es spielt überhaupt keine Rolle. Es hat noch nie eine Rolle gespielt. Für uns beide nicht.
Für viele andere ist dieser kleine Unterschied doch entscheidend. Er entscheidet über Liebe, Hass, Frieden, Krieg, Interesse oder Ignoranz. Das alles erleben wir beide tagtäglich in der Schule. Wir könnten auch Drehbücher für die Seifenopern im Fernsehen schreiben.
Es muss so viel mehr getan werden. Auf persönlicher Ebene, auf schulischer Ebene, auf menschlicher Ebene. Es muss investiert werden. In Bildung. In Frieden. In Menschlichkeit. Die neuen Dimensionen des Judenhasses, der Nahostkonflikt, der Antisemitismus und Fremdenhass. Vor unserer Haustür. Dem müssen wir begegnen.
Ohne Angst, ohne Zweifel. Wir müssen aufklären, unterstützen, einander die Hand reichen. Und nicht zuletzt: Wir müssen dieses finanzieren. Wir. Das sind alle. Politiker, Lehrer, Sozialarbeiter. Du und ich.
Yasmin und ich machen das. Jeden Tag. Nicht im Fernsehen, sondern im richtigen Leben.
Kleine Friedensverhandlungen sind es, die uns das Gefühl geben, Wichtiges zu leisten, vielleicht sogar Lebenswichtiges. Auch da sind wir einer Meinung.
Es ist erstaunlich, wie schnell man ins Gespräch kommt, wie viele Gemeinsamkeiten man entdeckt, wie gern man sich hat. Obwohl man sich letzte Woche noch gar nicht gekannt hat. Wenn man nur will. Wenn die ausgedachten Grenzen nicht existieren. Wenn der Mensch zählt. Nur der Mensch. Nichts anderes. Yasmin und ich. Wir sind Menschen. Ganz gute Menschen. Zumindest versuchen wir, solche zu sein. Ich glaube, meistens gelingt es uns.
Ich hatte noch nie ein makelloses Blind Date. Irgendwann ist aber immer ein erstes Mal.
Lea Feynberg, 1980 geboren in Moskau, Russland, wanderte mit zehn Jahren nach Deutschland ein, studierte Pädagogik, Geschichte und Politik in Heidelberg und lebt nach einer Station in Berlin heute in Hamburg. Sie unterrichtet in einer Sekundarschule und schreibt über ihren Berufsalltag. Oftmals erzählt Lea Feynberg den muslimischen Jugendlichen von den jüdischen Traditionen und sie ihr von ihrem Alltag als Muslime. Sowohl die SchülerInnen als auch die Jugendlichen profitieren sehr von diesem Austausch.
Lea Feynberg
Ich werd sowieso Rapper
Erfahrungen einer gut gelaunten Lehrerin
ISBN: 978-3-462-04585-7
Erschienen am: 07.11.2013
288 Seiten, Taschenbuch
Kiwi 1350
www.kiwi-verlag.de
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